Mittwoch, 16. September 2015

Serie "19 Pflegediagnosen" ANGST Teil 2

Heute wollen wir uns mit den "Tag 2 Aspekten" der Angst etwas näher auseinandersetzen. Wie sieht's denn aus? Was macht man, wenn der Patient Angst hat?

Tag 2: Handeln

Aufgaben

- Pat. mit seiner Angst ernst nehmen
- die Angst nicht kleinreden wollen ("ach was, das ist eine Routine OP)
- Ermutigen
- je nach Ursache für Angst diese Beseitigen

Handlungskonzept

um hier die Übersicht etwas zu erleichtern, werde ich in 4 Gruppen gliedern und jeweils ein paar Vorschläge machen.

Gruppe 1: 50 jähriger Patient hat Angst vor der bevorstehenden Kniegelenks-OP

- ein offenes Ohr haben, nicht einfach so abtun
- fragen, WAS genau Angst macht (die Narkose? das das Ergebnis nicht zufriedenstellend sein könnte? die Herausforderungen danach, mit weniger Belastung und viel Training? das etwas so schief geht, dass er gar nicht mehr laufen kann hinterher? einfach die Abhängigkeitssituation? vor Schmerzen?)
- je nach Auslöser der Angst adäquat reagieren. Hat er viel Angst vor der Narkose, kann man eventuell noch einmal den Anästhesisten reinbitten. Hat er Angst vor den Schmerzen, kann man ihm ganz klar im vorhinein das Schmerzkonzept der Abteilung erklären und wie wichtig seine Mitarbeit dabei ist. Hat er Angst vor den Trainings- und Aufbaumaßnahmen hinterher, kann man vielleicht jemanden von der Physiotherapie bitten, mit ihm darüber zu reden.
Natürlich klingt das alles ziemlich nach Wunschtraum. Aber wer weiß, vielleicht ist manchmal mehr möglich, als wir eigentlich denken.
Ist die Angst des Patienten hinterher weg? Möglich, aber wenn es gut läuft ist sie um einiges gemindert oder zumindest wurde sein Blick darauf gelenkt, was er alles selber beeinflussen kann (Schmerztherapie, Training etc.). Das kann für den Patienten schonmal Erleichterung bedeuten.
Ansonsten kann man ja auch darauf hinweisen, dass er die Möglichkeit, operiert zu werden, nicht wahrnehmen MUSS, wenn er sich nicht sicher ist. Natürlich ist das eine unbeliebte Sache, aber dem Patienten kann es vor Augen führen, dass er immer noch ein Mitspracherecht hat und was die Alternative wäre. Vielleicht bedeutet in seinem Fall sich nicht operieren zu lassen ja, dass er weiter mit Knieschmerzen leben müsste.

Gruppe 2: 5 jährige Moni hat Angst vor dem Abend, weil da ihre Mami heimgeht. Dann kriegt sie Bauchweh.

- Mutter darüber aufklären, evtl. gemeinsam mit ihr eine Lösung finden (z.B., dass sie da bleibt bis Moni eingeschlafen ist)
falls das nicht möglich ist:
- ein Lieblingskuscheltier von zu Hause kriegt Moni immer erst am Abend, wenn die Mami geht ("Trostpflaster")
- die Mutter geht zum Anfang von Monis Lieblingskindersendung
- wenn die Mutter geht, darf Moni noch ein Hörspiel hören
- falls sie Freunde auf der Station hat, wird abends noch ein Brettspiel gespielt
- die Oma kommt abends zu Besuch

Gruppe 3: demente Patientin wird, sobald es dunkel wird, sehr unruhig, nestelig und ruft "Hilfe".

- Nachtlicht anschalten
- evtl. Musikgeschmack erfragen/ persönliche Musik mitbringen lassen und leise laufen lassen
- beruhigende Waschung zum Abend hin (z.Bsp. nach dem Prinzip der basalen Stimulation)
- evtl. Angehörige bitten, abends noch etwas Zeit dort zu verbringen und mit ihr zu reden
- wenn man selbst etwas Zeit hat, dort Zeit verbringen
- versuchen mit den Augen eines Patienten zu schauen, der seine Gegend nicht mehr interpretieren kann und alles, was Angst machen könnte beseitigen (blinkende Lichter von Infusionsautomaten oder Fernsehern abkleben, alle überflüssige und mobile Technik aus dem Zimmer entfernen), eventuell von zuhause einen vertrauten Gegenstand mitbringen lassen, dem man auf dem Nachttisch oder im Blickfeld platziert, (also z.B. auch Bilder von Verwandten)

Gruppe 4: 60 jähriger Mann nach ischämischem Insult mit Hemiplegie hat Angst vor der Zukunft nach der Entlassung aus dem Krankenhaus

- hier kann man nun wirklich sehr praktisch werden, denn das ist eine (an)greifbare Angst: es gibt einiges, was man unternehmen kann. Natürlich sollte man den Patienten zuerst fragen, wovor er denn genau Angst hat, um darauf eingehen zu können.
- häusliche Wohnsituation erfragen (alleine/ mit Partnerin, ebenerdig/ höhere Etage, Aufzug?, barrierefreies Bad?) und je nachdem beraten. Sind alle Vorzeichen auf grün noch beraten zum Thema Haltegriffe, Treppenlifte, Pflegebetten,Verringerung der Sturzgefahr
- auf die verschiedenen Möglichkeiten der häuslichen ambulanten Pflege hinweisen, Hausnotruf und Pflegestufe erklären
(Hier könnte man wieder ganz arg wunderbar ein "salutogenetisches" Gespräch führen. Dieses Fallbeispiel ist wieder prä-des-ti-niert dazu. Also Sinnhaftigkeit - es macht Sinn, aktiv zu werden und etwas für zu Hause zu organisieren, denn auch mit diesen neuen Einschränkungen kann ich noch zuhause leben
Verstehbarkeit - was sind meine neuen "Ansprüche" und wie ist es dazu gekommen (wenn man Lust hat, kann man dann sogar dem Patienten noch die Pathophysiologie eines ischämsichen Insults erklären). Hier kann man auf Sturzgefahr, Notwendigkeit von ebenerdigen Duschen etc. eingehen
Handhabbbarkeit - es gibt einen Weg und es gibt viele Ansprechpartner, die einem bei diesem Weg helfen können. Flyer mitgeben. Angehörige mit einbeziehen, Kontakte herstellen.

Also hier könnte man sich wirklich austoben.

Risikodiagnosen im Zusammenhang mit ANGST:

-soziale Isolation
-Hoffnungslosigkeit
-gestörte Copingprozesse

Begründungsmöglichkeiten

pflegerisch: hmmmm. Vielleicht sogar mit der Theorie von Peplau. Ansonsten geht der Pflegeprozess ja irgendwie immer. Bei Angst muss man den aber schon ziemlich biegen, damit er passt. Vielleicht sollte man den Fallbezug dann lieber auf eine andere Pflegediagnose des Falls beziehen.
bezugswissenschaftlich: Ratet mal. Fängt mit S. an :)

Bis Freitag!


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